Allgemeines
In der Schweiz werden von etwa 19'500 Imkern rund 195'000 Bienenvölker gehalten. Obwohl sich die Mehrzahl der Bienenstände heute nicht mehr in bäuerlichen Betrieben befindet, ist die Bienenzucht als Tierzuchtzweig ein Teil der Landwirtschaft. Die Bienen sammeln einerseits Nektar, Honigtau und Pollen von Feld und Wald als Nahrung und Grundlage der Honigerzeugung, andererseits sichern sie durch Blütenbestäubung die Erträge zahlreicher Nutzpflanzen. Honigbienen werden vom Menschen seit Jahrtausenden als Haustiere gehalten. In neuerer Zeit können sie dank weitgehend kontrollierter Paarung mit zunehmendem Erfolg in Richtung Sanftmut, Widerstandsfähigkeit und Honigleistung auch züchterisch bearbeitet werden. Deshalb gilt die Bienenhaltung selbst in Aussenbezirken von Grossstädten auch heute noch als "ortsüblich". In der Tierseuchengesetzgebung wird die Biene wie alle anderen Haustiere behandelt. Gegenüber Pflanzenschutzmassnahmen ist der Bienenschutz gesetzlich geregelt. Trotzdem ist die Honigbiene juristisch nicht als Haustier anerkannt, da sie frei fliegt und sie sich nicht zähmen lässt.
Ethischer Wert
Die Bedeutung der Bienenhaltung bezieht sich zwar vor allem auf den im folgenden behandelten wirtschaftlichen Nutzen. Nicht zu unterschätzen ist aber auch ihr hoher ethischer Wert. Bei einer durchschnittlichen Standgrösse von 10 Völkern besteht der grösste Teil der Schweizer Imkereien aus Kleinstbienenständen. So gilt die Imkerei auch als naturnahe, ausgleichende, entspannende und zudem eine rentable Freizeitbeschäftigung. Die Imker sind sich darüber hinaus des Nutzens der Bienen für die Allgemeinheit bewusst.
Der wirtschaftliche Nutzen der Honigbienen
Man unterscheidet hierbei den direkten Nutzen, das sind die Produkte der Bienenhaltung, die der Imker direkt gewinnt, und den indirekten Nutzen, den die Bienen durch ihre Bestäubungsleistung bringen.
Honig
Allen Produkten voran stellt Honig das unmittelbare Ziel der Imkerei dar. Über Jahrtausende einziges Süssungsmittel, erfährt Honig schon in der Antike hohe Wertschätzung. Obwohl Honig nach dem Arzneimittelgesetz nicht als Heilmittel anerkannt ist, hat er doch als schnell energiespendendes Kräftigungsmittel grosse Bedeutung und wird auch in der Volksheilkunde vielseitig eingesetzt. Darüber hinaus versucht man auf dem Gebiet der Apitherapie, die medizinische Bedeutung von Honig und weiteren Bienenprodukten zu erforschen. Der Fermentgehalt des Honigs wirkt fördernd auf Verdauung und Mineralstoffwechsel. Honig enthält weiterhin Inhibine, das sind die Entwicklung von Bakterien hemmende Stoffe. Um die Fermente und Inhibine zu erhalten, soll Honig zwecks Verflüssigung nicht lange über 45 °C erwärmt werden. Deshalb wird bei Honiguntersuchungen der Fermentgehalt, speziell Invertase, als Qualitätskriterium verwendet. Pollenallergikern wird der Genuss von Honig aus der Region empfohlen. Die geringen Mengen heimischen Pollens können desensibilisierend wirken.
Sehr unterschiedlich sind je nach Herkunft von wasserklar oder weiss bis fast schwarz die Farbe und von mild bis sehr herb der Geschmack des Honigs. Auch der Zeitpunkt des Kandierens ist herkunftsbedingt. Abgesehen von der chemisch-physikalischen Qualitätsuntersuchung bedient man sich der mikroskopischen Pollenanalyse zur Herkunftsbestimmung. Wenngleich in unterschiedlichen Mengen findet man bei dieser Methode im Honigsediment die Pollen der Pflanzen wieder, von denen die Bienen den Nektar gesammelt haben. Auch Anteile von Honigtau, das sind die von Bienen gesammelten Ausscheidungen von Pflanzensaugern, werden an charakteristischen Sedimentmerkmalen erkannt. Der durchschnittliche Honigertrag liegt in der Schweiz bei ca. 20 kg je Volk und Jahr.
Wachs
Es ist ein Drüsensekret der Arbeitsbienen und das Material des Wabenbaues. Hauptbestandteil dieses Gemisches verschiedener Substanzen ist ein Palmitinsäureester des Myrizilalkohols. Das spezifische Gewicht beträgt 0,96, der Schmelzpunkt liegt bei 64 °C. Es ist unverdaulich, ausser für die Larven der Wachsmotten. Chemisch wenig angreifbar, ist es in Benzin und Terpentinöl löslich. Wachs wird durch Ausschmelzen von Waben gewonnen. Ursprünglich weiss, ist ausgeschmolzenes Wachs weisslichgelb bis braun. Wachs wurde schon im Altertum intensiv genutzt. So wurden in Wachs- oder in wachsüberzogene Holztafeln Schriftzeichen geritzt. Wachs diente zum Versiegeln von Briefen und Flaschen. Sehr hohen Bedarf an Kerzen hatten Kirchen und Klöster, so dass die Imker zu Wachsabgaben verpflichtet waren. Bis in die heutige Zeit ist Bienenwachs gefragt für wertvolle, duftende Kerzen sowie für Figuren, die in vielfältige Formen gegossen werden. Trotz zahlreicher Ersatzstoffe findet Bienenwachs nach wie vor in verschiedenen Industriezweigen, z. B. der Pharmazie, Lebensmittelindustrie und Kosmetik Verwendung.
Bienengift
Es wird in der Giftdrüse der Biene erzeugt und ist eine wasserklare Flüssigkeit. Hauptwirkstoffe sind Proteine. Es wird auf elektrischem Wege mit Hilfe von Geräten gewonnen, durch welche die Bienen zum Stechen auf eine Glasplatte veranlasst werden, und von der Pharma-Industrie verarbeitet. Salben und Injektionsmittel mit Bienengift wirken heilsam und schmerzstillend bei rheumatischen Beschwerden
Pollen
Blütenstaub als Eiweissnahrung wird von den Bienen in Form von kleinen Ballen, den "Höschen" an den Hinterbeinen in den Stock transportiert. Je nach Herkunft können Pollenhöschen verschiedenartig von hellgrau, gelb, rot, grün, blau bis schwarzgrau gefärbt sein. Pollen soll die Hirndurchblutung fördern und ist als allgemeines Kräftigungsmittel geschätzt. So wird Pollen in Flüssigkeit gelöst oder mit Honig gemischt gern eingenommen. In der Medizin haben sich Pollenpräparate bei diversen Krankheiten bewährt. Die Gewinnung von Pollen wird an den Fluglöchern mit Hilfe von Pollenfallen vorgenommen. Den heimkehrenden Sammlerinnen werden die Pollenladungen abgestreift.
Weiselfuttersaft (Gelee Royal)
Er ist ein Drüsenprodukt der Ammenbienen und dient der Königin sowie den jüngsten Arbeiterinnenlarven als Nahrung. In der Apitherapie ist es als hochwertiges Eiweiss- und Vitaminpräparat geschätzt und wird zur vielseitigen Anwendung empfohlen. Gelee Royal soll günstig gegen verschiedenste Erkrankungen, wie Infektionen und Arteriosklerose wirken und Funktionsstörungen der Körperorgane normalisieren. Der weissliche, cremige, säuerlich schmeckende Weiselfuttersaft wird durch Absaugen aus den Zellen junger Königinnenlarven - in manchen Ländern in industriemässig grossem Umfang - gewonnen. Der Futtersaft von etwa 5 Weiselzellen ergibt 1 Gramm.
Propolis
Die Propolis oder das Kittharz wird durch die Bienen von Blütenknospen gesammelt und wie Pollen in den Körbchen der Hinterbeine eingetragen. Es dient im Bienenstock zum Verkitten, Abdichten, Isolieren und Konservieren. Kittharz besitzt ein breites antibakterielles Spektrum. Es soll das Wachstum heilender Gewebe stimulieren. Von Anhängern und Vertretern der Apitherapie wird es als natürliches Antibiotikum empfohlen, heilend bei entzündlichen Prozessen in und am Körper. Die bei Stockwärme klebrige Masse wird nach Abkühlen hart. Die Gewinnung erfolgt durch Abkratzen von Rähmchen und Beutenteilen, in grösserem Umfang auch mit Hilfe von eigens zum Verkitten ins Bienenvolk verbrachten Vorrichtungen.
Die Bestäubungsleistung der Bienen
Der indirekte Nutzen der Honigbienen besteht in der Übertragung des Blütenstaubes durch die Nektar- und Pollensammeltätigkeit bei den insektenbestäubten Pflanzen. Dazu gehören nicht nur zahlreiche Nutzpflanzen der Landwirtschaft und des Gartenbaues, z. B. Ölfrucht- und Futterpflanzen sowie Obstgewächse, Zier-, Heil- und Gewürzpflanzen sowie viele Gehölze, sondern ein Grossteil von Wildpflanzen in Feld, Wald und Wiese. Der indirekte Nutzen der Bienen ist um ein Vielfaches höher als ihre direkten Leistungen.
Der Bestäubungsnutzen der Honigbienen wurde durch den Lehrer Christian Conrad Sprengel erkannt. In seinem 1793 veröffentlichten Buch "Das entdeckte Geheimnis der Natur bei der Befruchtung der Blumen" forderte Sprengel deshalb, dass "der Staat ein stehendes Heer von Bienen" haben müsste. Die Erkenntnisse Sprengels wurden erst viel später bestätigt und anerkannt (z. B. durch Darwin 1860). Unter den zahlreichen Insekten sind vor allem die Bienen- und Hummelarten (Apidae) als Blütenbestäuber wirksam, denn sie besitzen dichtes, gefiedertes Chitinhaar und sind auf die Ernährung durch Nektar und Pollen angewiesen. Die Bestäubungstätigkeit der Wildbienen ist jedoch umweltbedingt (intensive Bodenbearbeitung, im Fruchtwechsel weit auseinander liegende Schläge, Pflanzenschutzmittel, Jahreszeit, Klima und Jahreswitterung) unzuverlässig und oft unzureichend.
Die Honigbiene besitzt gegenüber den Wildbienen als Bestäuber folgende Vorteile
Die Konsequenz ist der vertragliche Bestäubungseinsatz von Bienenvölkern, zumal sich das Wandern mit den Bienenvölkern in manche Kulturen allein wegen des Honigertrages nicht lohnt. Das trifft zu für Obstgewächse und den Samenbau einiger Ölfrucht- und Futterpflanzen. Heute werden weltweit Bienenvölker zur Blütenbestäubung "gemietet", so nahezu überall bei Obst, in skandinavischen Ländern für den Rotkleesamenbau und in Amerika zur Saatguterzeugung von Luzerne. Für manche Imker z. B. in Kanada ist der Bestäubungsdienst im Vergleich zu Honig die Haupteinnahmequelle. Wenngleich der Bestäubungsnutzen der Honigbienen vielfach nicht anerkannt und vergütet wird, so sollte der Imker Wanderungen in Kulturen stets Vereinbarungen mit den Landwirten treffen, z. B. über Transporthilfe, günstige Aufstellungsplätze und Termine der Anwendung von Insektiziden.